Was wir aus der Geschichte lernen können
„Die zunehmend global adaptierten Machtstrategien und das verknüpfte Menschenbild hängen eng mit unserem inzwischen weltweit favorisierten materialistisch-mechanistischen Weltbild zusammen und dem Denken, das aus dem Geist des Machens resultiert und machtförmiges Handeln provoziert. Dieses Weltbild, in dem die Welt einem nach strengen Gesetzen ablaufenden materiellen Uhrwerk gleicht (das auch das Descartes-Newtonsche klassische Weltbild genannt wird) ist selbstverständlich nicht die eigentliche Ursache. Es ist selbst Ergebnis und Legitimation einer historischen Entwicklung, in der patriarchale Hierarchien und machtgreifende Organisationsstrategien sowie ein verengter Monotheismus mit der Abspaltung des Menschen aus dem Reich der Natur eine wichtige Rolle spielen. Die Strategien unbegrenzter Machbarkeit fußen jedoch auf der materialistisch-mechanistischen Präzisierung dieser Weltvorstellungen und der dadurch ermöglichten erfolgreichen wissenschaftlich-technischen Entwicklung unserer Zivilisation. Das dafür benötigte (beherrschbare) Verfügungswissen liefern primär die empirischen Wissenschaften, die sich im Rahmen dieses Weltbildes am Grundprinzip einer behaupteten kausalen Geschlossenheit der materiellen Welt als ‚Realität’ (dinglichen Wirklichkeit) orientieren und diese (besonders auch über die politischen, sozialen und ökonomischen Wissenschaften) auf alle Lebenszusammenhänge und -prozesse auf der Erde projizieren. Dies schlägt sich wiederum in Formen des Handelns nieder, deren Ergebnisse solche Realität auf kurze Sicht streng zu legitimieren scheinen.“
aus: Potsdamer Manifest, 2005 von Hans-Peter Dürr, J. Daniel Dahm und Rudolf zur Lippe
Wir wissen es alle und machen trotzdem immer so weiter. Wir wissen, dass wir uns immer mehr dem Point of no Return – nähern, dem Punkt, an dem die Klimaveränderung durch den menschlichen Eingriff nicht mehr rückgängig zu machen ist und Naturkatastrophen unvorstellbaren Ausmaßes auslösen wird. Wir wissen, dass wir uns der Erschöpfung der nicht erneuerbaren Energien in Lichtgeschwindigkeit nähern – dem Peak of Oil und dem Peak of Everthing. Das lässt uns aber nicht aus unseren Wohlstands- und Wachstumsträumen erwachen. Wir sehen Flüchtlingsströme aus Bürgerkriegsgebieten und klimaverwüsteten Gegenden auf uns zurasen – doch anstatt Abhilfe zu schaffen, machen wir die Grenzen dicht. Wir haben eine Seelenruhe bei all dem und glauben, dass wir in einer endlosen Gegenwart leben, in der es immer so weiter gehen wird – trotzalledem – vielleicht mit ein bisschen Veränderung – ein bisschen grünes Wachstum, ein bisschen nachhaltigen Konsum – ein bisschen Social-Business – aber ansonsten alles beim Alten – Wachstum und Konsumwohlstand für die globale Welt. Und wir zimmern uns eine Vergangenheit, die uns bestätigt auf dem rechten Weg zu sein – eine lineare, stetig dem Fortschritt dienende Vergangenheit, in der es keine Widersprüche gab, keine Stolpersteine und keine anderen Deutungen als die, die wir für die beste aller Deutungen halten. Aber wie war das eigentlich tatsächlich? Woher beziehen wir die Annahme über die Welt, wie wir sie sehen? Könnte es nicht auch anders gewesen sein? Vielschichtiger – breiter – eine Entwicklung, die mit unserer heutigen Zivilisation noch lange nicht an ihr Ende gekommen ist?
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